Der gesellschaftskritische Roman "Der Untertan" von Heinrich Mann schildert das Leben von Diederich Hessling, einem sklavischen und fanatischen Verehrer Kaiser Wilhelms II. als Archetyp des wilhelminischen Deutschlands. Hessling ist unreflektiert gehorsam gegenüber der Obrigkeit und hält starr an den nationalistischen Zielen des neu geschaffenen Zweiten Reiches fest. Als unsicheres und wehleidiges Kind fungiert er als Denunziant. Später gewinnt er Selbstvertrauen, indem er einer duellierenden Studentenverbindung beitritt, sich als Säufer und Stammtisch-Agitator betätigt und (knapp) einen Doktortitel in Chemie erlangt. Er wird Papierfabrikant, Familienpatriarch und schließlich der einflussreichste Mann in seiner Kleinstadt.
Im Laufe des Romans stehen Hesslings starre Ideale oft im Widerspruch zu seinen Taten: Er predigt Tapferkeit, ist aber ein Feigling; er ist der schärfste Militarist, will aber von der Wehrpflicht befreit werden; seine größten politischen Gegner sind die marxistische Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), doch er nutzt seinen Einfluss, um den SPD-Kandidaten seiner Heimatstadt in den Reichstag zu bringen, um seine liberalen Geschäftskonkurrenten zu besiegen; er setzt bösartige Gerüchte gegen letztere in die Welt und distanziert sich dann von ihnen; er predigt christliche Moral und setzt sie gegen andere durch, lügt aber, betrügt und begeht regelmäßig Ehebruch.
Über den Autor Heinrich Mann
Heinrich Mann, 1871 in Lübeck geboren, begann nach dem Abgang vom Gymnasium eine Buchhhandelslehre, 1891/92 volontierte er im S. Fischer Verlag. Heinrich Mann hat Romane, Erzählungen, Essays und Schauspiele geschrieben. 1933 emigrierte er nach Frankreich, später in die USA. 1949 nahm er die Berufung zum Präsidenten der neu gegründeten Akademie der Künste in Ost-Berlin an, starb aber 1950 noch in Santa Monica/Kalifornien.